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Am Meer - in Krisenzeiten

Ich sitze auf der einen Bank, meiner Bank mit weitem Blick aufs Meer und auf die Catharinenkerk in Zoutelande.

Während in der Welt zerstörerisch agiert wird, darf ich hier sitzen, mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen, auf das glitzernde Meer schauen und schreiben.

Gastanker, die die Küste entlang fahren, sowohl in Richtung Antwerpen als auch in Richtung Rotterdam. Russisches Gas? Es ist anders hier zu sitzen in dieser Zeit.

 

Heute ist Vollmond - ein Veränderungsvollmond. Energie, auch zerstörerische Energie in uns, die sich, wenn wir zulassen sie zu fühlen, lösen darf. Wie ein Frühjahrsputz im Inneren. Es wird außen friedlich, wenn wir es im Inneren sind.

@dasmondjournal (Johanna Kramer) schrieb dazu: "Dieser Vollmond kann ein spürbares Ende der emotionalen und mentalen Herausforderungen markieren, mit denen wir seit Beginn des neuen Jahres konfrontiert sind. Doch das kann erfordern, dass wir noch einmal tief nach innen schauen und intensive Gefühle durchleben und verarbeiten."

 

Vorhin machte ich eine Trance - eine Trance, in der ich meinen negativen Gefühlen nachspürte. Ich beobachtete das mangelnde Verständnis, das ich für mich aufbringe, wenn ich in negative Gefühle komme.

Kann das ein Schlüssel zum Loslassen für mich sein?

Verständnis für die Frau (für mich), die leicht andere verurteilt, sich dann selbst kaum erträgt, sich selbst verurteilt und am liebsten davonlaufen würde.

Was wäre, wenn ich diese zerstörerische Energie in Verständnis für mich umwandle?

Mir selbst Verständnis und eine Umarmung schenke, mir Trost schenke, den ich eigentlich brauche, wenn mich diese Gefühle so herunterziehen.

Gefühle, nach deren Ursache ich nicht zu schauen brauche, weil ich sie kenne.

Verständnis für mich, eine Umarmung für mich. Das fühlt sich sehr warm an.

 

Vor zwei Wochen hätte ich mich gefragt, ob ich hier sitzen darf, wenn andere in Europa kämpfen, erschossen werden und fliehen.

Mittlerweile weiß ich, dass ich den Beitrag zum Frieden leiste, den ich leisten kann. Und es ist ja so, dass ich instabil und im Unfrieden mit mir selbst niemandem nütze.

Ja, ich höre den kleinen Anteil der Rechtfertigung, der immer noch in mir nachklingt, weil ich hier sitze.

 

Es tut mir gut dem beruhigenden Rauschen des Meeres zu lauschen, die wärmende Sonne im Gesicht zu spüren, den leichten Wind im Haar, an den Ohren und am Hals zu fühlen.

Ich bin mir ganz nah und das darf jetzt sein.

 

Wie dankbar ich bin, dass hier kein Krieg herrscht. Hier im Nordwesten Europas, in Zeeland, wo an jeder Ecke Mahnmale - Bunker, Schautafeln, Panzer, Panzersperren -  stehen und an die Schrecken des 2. Weltkrieges erinnern. Doch ich werde auch an den Krieg in der Ukraine erinnert, wenn osteuropäisch sprechende Menschen an mir vorbeigehen, wenn ich weiß, dass auch auf unserem Campingplatz Flüchtlinge untergebracht sind, wenn Tiefflieger über das Meer düsen, so wie ich sie schon lange nicht mehr gesehen und gehört habe.

Sie machen mir Angst. Schrecklich der Gedanke, sie könnten eingesetzt werden.

Der Krieg ist nah und doch so fern.

 

Doch jetzt dürfen meine Gedanken, mein Blick und mein Fühlen sich auf das so besondere Glitzern des Meeres konzentrieren, um mich für diesen kostbaren Moment verzaubern zu lassen und Kraft zu tanken.

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Kommentare: 2
  • #1

    Phil (Sonntag, 20 März 2022 14:41)

    Ach, liebe Cathrin, ich wünsche Dir, dass Du nicht allein Dein zerbrechliches Ich wahrnimmst, sondern vielmehr die Dich ummantelnden Seelenkräfte, all Deine Wärme, Herzlichkeit und Fröhlichkeit.
    Sprichst Du von Dir, wenn Du beschreibst, wie andere Frauen verurteilt werden? Sind es nicht einfach nur Gedanken, vielleicht alte Programme, die da ablaufen, und Du wünschst Dir, auf die Schwestern, Töchter und Mütter zugehen und ihnen und damit auch Dir sanft und liebevoll begegnen zu können ?
    Ich wünsche Dir, da die Welt Seelen wie Dich braucht, dass Du Dich von diesem Ich-Konstrukt lösen und andere Seelen unterstützen, sie in ihrer Not Leben retten zu müssen wirst trösten können. Trau Dich, trau Dich mit Deiner Seele zusammen hinaus und hilf heilen, wo das Grauen so tiefe Wunden schlägt, das Männliche nur Tod und Zerstörung bringt. Ich bete, dass die Kraft des Weiblichen obsiegt, dass die Welt Eure Wärme und Fürsorglichkeit annimmt, um Frieden zu finden.

  • #2

    Cathrin (Montag, 21 März 2022 14:19)

    Lieber Phil,
    danke für deine Zeilen.
    Ich spreche von mir, wie ich mich selbst verurteile und fühlend da durchgehe und Verständnis für mich aufbringe. Das Fühlen dieser mich belastenden Gefühle ist für mich so wichtig, um zu heilen, um für mich selbst Frieden zu finden.

    Ich glaube auch, dass die Welt das Weibliche braucht, um Frieden zu finden. Ich weiß gar nicht, ob es Autokratinnen gibt.