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Meine Symptome und ich - emotionales Essen

Im September letzten Jahres hatte ich begonnen über meine mich belastenden Symptome zu schreiben. Nun möchte ich diese Reihe weiterführen.

 

Schon bei der Wahl der Überschrift zu diesem Thema konnte ich mich kaum entscheiden. Nenne ich das Symptom Esssucht, Essanfälle oder sogar Fressanfälle. Ich habe mich für die harmlosere obige Version entschieden, weil ich liebevoller zu mir sein möchte und ich sogar denke, dass emotionales Essen viele, möglicherweise jeden von uns betrifft.

 

Essen wir emotional, essen wir z.B. bei innerer Einsamkeit, um ein negatives Gefühl zu kompensieren. Ich nähre etwas in mir mit einem Zuviel an Schokolade, Chips und Co, was ich mit meinem inneren Mindset nicht nähren kann.

Für viele von uns ist es schwierig, sich selbst in Ruhe zu ertragen, kennen wir doch alle viel Druck und Stress. Da hilft es, sich mit Essen zu befriedigen und zur Ruhe zu kommen, um von sich selbst gut abzulenken, was auch mit übermäßigem Sport sehr gut gelingt, mit SocialMedia-Konsum, Alkohol und anderen Substanzen.

 

Ein großes Problem beim emotionalen Essen ist, dass wir als Kinder nicht gelernt haben Grenzen zu setzen. Es wurde über unsere Essensbedürfnisse hinweggegangen.

Meine Eltern waren grenzüberschreitend, der Teller musste beispielsweise leergegessen werden. Ein körperliches Genug gab es nicht.

Und meistens ist es heute noch so, dass wir meinen, wenn ein Kleinkind abwehrt und nicht weiteressen möchte, es überreden und überlisten zu müssen, dass es weiterisst. Das machen wir mit Äußerungen von fliegenden Löffeln oder "Ein Löffel für Oma" etc..

Ich denke, die meisten von uns konnten so nicht lernen, zwischen Kopf- und Körperhunger zu unterscheiden.

 

Doch nun zu mir persönlich. Dazu möchte ich wieder in ein Gespräch mit meiner Inneren Weisheit kommen.

Frage mich also gerne 'Innere Weisheit'!

 

Wie ist das denn bei dir mit dem emotionalen Essen?

 

Oh, du fragst nett. Ich würde bei mir eher von Esssucht und Essanfällen reden, die mich seit meiner Jugend begleiten.

Und ich weiß, dass viele über mich sagen würden: "Was, du und Esssucht? So schlank, wie du bist. So gesund, wie du dich ernährst. So sehr du auf das, was du isst, achtest. Du, die schon fast 10 Jahre vegetarisch und meistens auch vegan isst. Du doch nicht!"

Doch ich!

Es ist nicht immer gleich schlimm. Doch manchmal ist es so schlimm, dass ich mich voll esse, bis mir schlecht wird. Manche nennen das Binge Eating. Dafür gibt es sogar eine ICD-Diagnose (International Statistical Classificationof Diseases and Related Health Problems), die hier keine weitere Rolle spielt.

 

In welchem Ausmaß hast du so schon gegessen, nur das ich mir das vorstellen kann?

 

Na, du weißt es ja, als einzige... Das können an einem Abend zwei Tüten Chips, mehrere Schokoladenriegel und -tafeln sein. Wirklich viel zu viel.

Wenn ich so einen Anfall habe und z.B. an einem Nachmittag zur Ruhe komme und diese Ruhe nicht ertrage, fange ich dann schon an, nebenbei zu essen. Das setze ich abends fort und meistens heimlich.

 

Schämst du dich?

 

Ja sehr. Ich verstecke mein Essen und esse noch mehr, wenn mein Mann schon im Bett ist. Es schmeckt mir, nur danach fühle ich mich unendlich schuldig, schäme mich, weil ich zunehme und fühle mich alles andere als wohl in meinem Körper, denn mein Darm verträgt die Menge an Essen nicht. Dann lehne ich meinen Körper ab und bestrafe mich so selbst.

Ich gehe dann auch nicht mehr auf die Waage, weil ich diese Ernüchterung nicht ertragen könnte. Diese Anfälle belasten mich enorm, weil mir dann alles egal ist, nach dem Motto: Wenn ich einmal angefangen habe, kann ich so lange weiteressen bis nichts mehr reinpasst.

 

Du weißt aber, dass du auch nach einem solchen Anfall ein liebenswerter Mensch bist, oder?

 

Ja, mit dem Kopf, aber nicht mit dem Herzen. Fühlen kann ich es nicht. Mein Kopf versucht es mir einzureden. Doch es kommt nicht an.

Letztlich kämpfe ich gegen mich und meinen Körper, reiße mich zusammen, diszipliniere mich, will mich anders als ich bin. So, als würde ich ein schreiendes Baby durch Schütteln beruhigen wollen. Ein schreckliche Vorstellung!

 

Hast du darüber schon einmal mit einer Therapeutin gesprochen?

 

Ja, da kam dieses Problem nicht an. Ich denke, weil mein körperliches Äußeres auch etwas anderes erzählt. Da kamen Tipps wie, eine Handvoll Nüsse zu essen macht nicht gleich dick. Allerdings hatte ich mich da auch nicht richtig geöffnet, und nicht von dem Ausmaß an Essen erzählt, lediglich von dieser Sucht, nicht aufhören zu können, wenn es mir seelisch nicht gutgeht.

 

Seit wann trägst du diese Anfälle mit dir rum?

 

Seit meiner Jugend. Schon meine Mutter hat heimlich gegessen. Zuhause drehte sich viel ums Essen, um zu viel Essen. Meine Mutter hat ihr Leben lang Diäten gemacht, fand sich hässlich und zu dick, bis ich sie auch hässlich fand. Mich hat sie reglementiert. Ich durfte das essen, was sie mir gab. Ich fand mich schon als 8jährige zu dick, obwohl ich ein sehr dünnes Kind war - objektiv betrachtet.

 

Weißt du eigentlich, dass du sehr mutig bist, davon hier zu erzählen?

 

Ich kann es mir denken. Ich traue mich ja nur schriftlich hier.

Und ich traue mich, weil es mir gerade wieder besser geht und diese Anfälle wieder nachgelassen haben.

 

Wie hast du das geschafft?

 

Indem ich mich intensiv um mein Seelenheil, um mein Inneres kümmere.

 

Ich habe nun seit zwei Wochen jeden Morgen drei Seiten Morgenseiten geschrieben, um mehr an mein Unbewusstes zu kommen. Seit einigen Tagen mache ich anschließend eine Meditation, die mein Herz befragt, was mich gerade am meisten belastet, was ich loslassen muss, um unbeschwerter zu leben, welche meiner Gefühle so schmerzlich sind, welcher Glaube dahintersteckt... Das ist sehr intensiv und jeden Morgen lerne ich dazu.

 

Ich mache auch gerade einen Kurs "Finde die Liebe in dir" von Eva-Maria und Annalena Zurhorst und nehme an einem 'Inneres Kind Kongress' von Stefan Peck teil.

 

Dazu schreibe ich alles auf, was ich in mir entdecke, denn ursächlich für mein Essverhalten ist meine innere Bedürftigkeit, sind meine inneren Defizite, aus denen heraus ich handle.

 

Wie meinst du das?

 

Aufgrund meines Bindungstraumas habe ich nicht gelernt, meinen Gefühlen zu trauen, mein Herz für mich zu öffnen.

Ich war nie richtig so wie ich bin, mein Äußeres schon gar nicht. Diese negativen Gefühle sind heute noch stark. Für meine kindlichen Anteile ist das heute oft noch die Realität. Durch das mangelnde Vertrauen wurde mein Selbstwert verletzt.

 

Wow, so eine Bürde!

 

Ja, aber du weißt ja, dass ich mich immer wieder fange und einen Weg da rausfinde. Das ist eine meiner großen Stärken, die mich schon mein Leben lang aufrechthält.

 

Was ist dein Ziel und dein Plan?

 

Erstmal so weitermachen, wie ich vor zwei Wochen anfing.

Ich möchte mich weiter meinen Wunden zuwenden, sie als einen Teil von mir betrachten, sie als wichtige Anteile in mir wertschätzen, auch wenn sie schmerzhafte Gefühle in mir auslösen. Ich möchte es schaffen, wenn diese Gefühle auftauchen, mich nicht von ihnen abzulenken, sondern mich ihnen liebevoll zuzuwenden. Denn ich weiß, dass zur Selbstliebe gehört, alle meine Anteile und alle verletzten inneren Kinder anzunehmen und irgendwann zu lieben.

 

Das wünsche ich dir von Herzen...

 

Danke, ich mir auch. Ich werde meinen Selbstwert zum Beispiel mit Dankbarkeit nähren. Dankbarkeit für das Kleine und Große, das ich habe.

Und ganz wichtig. Es braucht meine Selbstverantwortung, um aus diesen Gefühlen herauszukommen.

Ohne Selbstverantwortung gelingt wenig.

 

Wie Verena König sagt: "Achte dich für das, was du fühlst, getreu dem Motto: Alles, was du fühlst, macht Sinn."

 

Das ist ein schönes Schlusswort. Alles, was du fühlst, hat ja vor allem früher Sinn gemacht, um dich zu schützen, um mit dem, was dir widerfahren ist, damals klar zu kommen. Gehe deinen liebevollen Weg genauso weiter.

 

Ja, das werde ich. Ich bin dankbar, dass mein System schon viel gelernt hat, dass es sich relativ schnell wieder beruhigt, wenn ich mir dessen bewusst werde und mich um mein Inneres kümmere. Das allerdings ist unerlässlich und wohltuend und wünsche ich jedem Menschen mir gleichzutun.

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