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Weihnachten damals und heute

Weihnachten damals

 

WEIHNACHTEN - Scheinheiligkeit - wie sehr freute ich mich als Kind in der Adventszeit auf den HEILIGEN ABEND - doch, es war gemütlich, heimelig - schön geschmückt - ich durfte mitbacken - das war im übrigen Jahr nie erlaubt - zu viel Schmutz und Arbeit - der Adventskalender gefüllt - wie bei Schnüpperle von Barbara Bartos-Höppner - aus diesem Buch wurde uns vorgelesen - ich liebte es - heile Welt, wie ich sie mir wünschte - in der Adventszeit war die Welt friedlicher - wahrscheinlich, weil alle Hoffnungen in diese Zeit gesetzt wurden - die schönste Zeit im Jahr - so wurde es mir vermittelt - der Nikolaus kam in den Kindergarten - ab da wurde es gefährlicher für mich - war ich doch nicht so lieb wie ich sein sollte - dachte schlecht - kaute an den Nägeln - musste ein Gedicht aufsagen - Angst kam auf - was, wenn er mir auf die Schliche käme - ich überlebte jedes Mal - WEIHNACHTEN nahte - die Vorfreude wuchs - jedes Jahr hatte ich das Weihnachtsfest vom letzten Jahr ausgeblendet und freute mich - neuer Versuch - was für ein sinnvoller Schutz meines kindlichen Gemüts - ich freute mich auf alle weihnachtlichen Rituale und am meisten auf die Bescherung - Kaffeetrinken bei den Großeltern - unten im Haus - meist noch friedlich - rund um den Couchtisch herum - schlesischer Apfelkuchen mit Zuckerguss und viel Sahne - ordentlich essen - bloß nicht kleckern - schleichende Anspannung - viel Familie auf einmal - Fest der Liebe, das ich mir wünschte - was sich auch meine Mutter wünschte - haperte es doch an der Umsetzung - was ist Liebe überhaupt - der heilige Abend war da - festlich gekleidet - mein Bruder und ich mit Spitzenkragen, fast identisch gekleidet - hohe Erwartungen - es  schön werden - das Glöckchen bimmelte - Gedicht aufsagen, damit ich ein Geschenk bekam - erledigt - Streit zwischen den Eltern und Großeltern entstand - jedes Jahr - Geschenke auspacken - der Streit blieb - Geschenke auspacken - versuchen, sich zu freuen - die Anspannung ausblenden - Würstchen mit Kartoffelsalat - Anschreien - laut - erbarmungslos -  ich wusste nicht wohin mit mir - Augen zu - weghören - nicht wirklich da sein - wie taub - hab ich das gut gelernt - WEIHNACHTEN - Enttäuschung - Tränen - Festhalten an den Geschenken - Erwartungen und Hoffnungen nicht erfüllt - Festhalten an den  Schatten - kein Wandel in Sicht - WEIHNACHTEN - Ent-Täuschung - jedes Jahr aufs Neue ließ ich mich täuschen - bis ich nach und nach den Weg aus der Täuschung suchte, und fand ? - immerhin ist heute schon mehr WEIHNACHTEN

 

Zur Ergänzung: Natürlich war nicht jeder Heiligabend so extrem. Es wurde besser als meine Eltern sich entschieden, nicht mehr mit den Großeltern zu feiern. Schwierig blieb es allerdings.

 

 

Weihnachten heute

 

WEIHNACHTEN - Gemütlichkeit - Wärme am Kamin - Plätzchenbacken mit Freunden - Tee - Glühwein - Feuerzangenbowle bei Freunden - Weihnachtsmarkt (okay, in diesem Jahr nicht) - Adventskalendertürchen öffnen - Geschenke basteln und organisieren - Karten schreiben - viel kreatives Handwerk - Zuneigung - Geschichten vorlesen - Advents- und Weihnachtslieder singen zur Gitarre oder Klavier - Vorfreude - sie hat sich nie abgenutzt - Tannenzweigenduft - ist das nun eine Idealisierung des Weihnachtsfests? - hmmmmm - ich mag diese Zeit, ohne Frage - ich mag den Hintergrund - das Fest der Liebe - ich mag die Dekorationen, wenn sie nicht zu kitschig sind... - und dann lege ich los mit meinen Aktivitäten und neige dazu mich komplett zu überfordern - decke mein Innerstes damit zu - einerseits erzeuge ich so den Druck von damals und gebe ihn weiter - und andererseits überlagere ich damit meine innere Leere und Ohnmacht - zu Schulzeiten (als Lehrerin noch vorletztes Jahr) war es nicht anders - viel zu viel action für mich - dafür keine Zeit zum Reflektieren: Adventssingen im Flur, Adventskreis, Proben für die Weihnachtsfeier, Nikolaus, Geschenke für die Eltern basteln... anstrengend und schön - jetzt, habe ich doch viel mehr Ruhe - fange ich nun an die Adventszeit zu genießen? - ich versuche es zumindest ;-) - ich fühle meine Empfindsamkeit und spüre wie die Weihnachtsschatten von innen klopfen - "hey, wir sind da, ob du nun willst oder nicht" - okay, ich muss ja noch das ganze Essen für alle Tage planen - das vegane Heiligabendmenü - die Geschenke fertigstellen und einpacken - die Weihnachtsschatten klopfen immer noch an - die Unruhe, gerade in dieser Zeit, steckt mir in den Knochen - und doch ist etwas ganz Entscheidendes anders - HEUTE ist viel mehr WEIHNACHTEN als ich mir jemals erträumt habe - friedlich, liebevoll, genussvoll und freudvoll - nee, das ist jetzt nicht übertrieben ;-) - wir feiern den heiligen Abend würde- und respektvoll, mal mit, mal ohne unsere erwachsenen Kinder - ohne sinnlose Streitigkeiten - schon mit sinnvollen kommunikativen Auseinandersetzungen - und auch die Weihnachtsschatten dürfen mit am Tisch sitzen - das fange ich jetzt erst an zuzulassen - wir beschenken uns in Liebe - versuchen uns so anzunehmen wie wir sind - es ist und bleibt eine besondere Zeit - eine durchlässigere Zeit - öffnen wir uns für sie  - dann kann WEIHNACHTEN werden

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Kommentare: 2
  • #1

    Monika Bürger (Mittwoch, 06 Januar 2021 11:45)

    wie schön, dass Weihnachten heute so sehr deinen Vorstellungen entspricht und du es für dich so gestaltest wie es für dich gut ist. Die Schatten der Vergangenheit verschwinden.........

  • #2

    Cathrin (Mittwoch, 06 Januar 2021 14:42)

    Ja, Weihnachten entspricht schon viel mehr meinen Vorstellungen. Jetzt während der Rauhnächte haben die Schatten sich lebhaft gezeigt, und das dürfen sie ja auch. Von Verschwinden würde ich noch nicht sprechen, aber mein Umgang mit ihnen wird leichter :-)