Ja, ganz genau. Du bleibst entweder die ganze Nacht wach oder einen Teil der Nacht.
Die Wach- oder Schlafentzugstherapie wird in einigen psychiatrischen Kliniken angewandt, um Patientinnen, die an Depressionen erkrankt sind und nicht in den Schlaf finden, zu helfen, quasi ein
Durchmachen gegen Depressionen oder Schlafprobleme.
Hier ein - wie ich finde - interessanter Auszug aus: Spektrum der Wissenschaft, Christoph Nissen und Marion Kuhn: Durchmachen gegen Depressionen, 07.07.2016:
"Auf einen Blick
Per Schlafentzug aus dem Stimmungstief
Der Gemütszustand depressiver Menschen kann sich bereits nach einer einzigen durchwachten Nacht verbessern. Herkömmliche Behandlungen wirken üblicherweise erst nach mehreren Tagen
oder Wochen.
Falls die Symptome nach der Wachtherapie verschwinden, kehren sie allerdings meist zügig wieder zurück. Bestimmte Maßnahmen, wie etwa das Verschieben von Schlafphasen, senken die
Rückfallquote.
Forscher nehmen an, dass sich die Synapsen im Gehirn während einer Depression nicht mehr wie bei Gesunden vernetzen. Therapeutischer Schlafentzug hilft womöglich deshalb, weil er dem
entgegenwirkt. ...
Doch die bisherigen Erkenntnisse sind erstaunlich: Bei sechs von zehn Patienten verbessert sich die Stimmung schon nach einer schlaflosen Nacht. Diese so genannten Responder berichten von
einem spürbaren Rückgang der Symptome – meist ab der zweiten Nachthälfte. Weder Alter, Geschlecht noch Erwartungshaltung spielen für den Erfolg der Therapie eine Rolle. Am besten wirkt
sie bei denjenigen, deren Stimmung sich normalerweise nach einem ausgeprägten Morgentief im Tagesverlauf aufhellt.
...
Die Nebenwirkungen der Behandlung sind eher gering – etwa vorübergehende Unruhe oder Müdigkeit. Sie treten insbesondere bei den 40 Prozent der Behandelten auf, deren
psychische Verfassung sich durch die Therapie nicht verbessert. Gleichwohl verstärken sich die Symptome ihrer Depressionserkrankung nur ganz selten."
Ich möchte euch erzählen, warum und wie ich die Wachtherapie für mich selbst durchgeführt habe .
Natürlich sollte man sie - wie bei vielen Therapieformen üblich - nur nach ärztlicher Rücksprache durchführen und für manche Menschen ist sie nicht geeignet, z.B. für Menschen mit einer
bipolaren Störung oder für selbstmordgefährdete und psychotische Personen.
Ich habe die Wachtherapie im Alleingang, in alleiniger Verantwortung für mich durchgeführt .
Seit längerem schlafe ich schlecht. Vor allem das Einschlafen fällt mir schwer. Ob das jetzt ein Symptom meiner Depression ist, bleibt dahingestellt. Fakt ist, dass ich nicht einschlafe, weil
ich zu viel denke; schon Angst bekomme, wenn ich das Licht ausschalte, ob ich denn wohl schlafen könne; zudem drückt es links oben in meinem Brustkorb. Manchmal schlafe ich zwei Stunden, mal
vier und auch mal sieben Stunden, manchmal gar nicht, in jedem Fall unruhig und unregelmäßig.
Medizinisch abgeklärt ist, dass ich keine Herzprobleme habe. Ich selbst bin mir ziemlich sicher, dass meine Schlafstörungen psychischer Art sind. Sie nehmen zu und machen mir gleichzeitig
Angst, dass sie irgendwann körperliche Auswirkungen haben könnten. Das möchte ich unbedingt verhindern.
Schlafmittel gegen meine Einschlafstörungen zu nehmen, kommt für mich erstmal nicht in Frage. Zu groß ist meine Angst, davon abhängig zu werden.
Ausprobiert habe ich diverse pflanzliche Mittel und ein Melatoninspray. Auch Einschlaf-Meditationen nahmen mir nicht meine Unruhe. Allerdings habe ich sie zugegebenermaßen nicht regelmäßig
durchgeführt.
So kam es, dass ich mich auf diversen Kanälen mit der Wachtherapie beschäftigt habe. Kennengelernt hatte ich sie übrigens über meinen Mann, der sie in Zeiten seiner schweren Depression zu
Hause durchführen sollte.
Ich habe mich schließlich für die Wachtherapie entschieden, nicht nur um meine Stimmung zu verbessern, sondern, um zu einem regelmäßigeren Schlaf zu finden. Dafür habe ich die Wachtherapie
für mich modifiziert und wie folgt durchgeführt:
Der Ablauf meiner Wachtherapie
eine durchwachte Nacht (insgesamt 30 Stunden wach bleiben), an den folgenden Tagen spät abends ins Bett gehen und früh/regelmäßig aufstehen, zwischendurch nicht schlafen; trotzdem wollte ich
flexibel bleiben, d.h. die Wachtherapie sollte jederzeit abwandelbar und angepasst an meine Bedürfnisse bleiben
In der Nacht vom 27.06. auf den 28.06. entschloss ich mich 'durchzumachen', weil ich wieder mal nicht einschlafen konnte. Ich stand auf und beschäftigte mich mit Schreiben, Solitaire und
Sudoku spielen, Lesen und Fernsehen. Wichtig war, nicht einzuschlafen. Das soll den Effekt der Therapie schmälern. Ich hielt durch, auch über den ganzen Tag hinweg, machte durchaus auch
anstrengende Dinge wie einen Arztbesuch mit meiner Mutter und Großeinkäufe. Dieses Durchhalten war für mich nicht schwer, da ich insgesamt ein eher unruhiger Mensch und weniger müde bin. Ich
verspürte lediglich ein dumpfes Gefühl im Kopf. Meine Stimmung war besser als den Tag davor.
In der Nacht zum 29.06. brauchte ich 26 Minuten zum Einschlafen und schlief fast vier Stunden am Stück. Zum Einschlafen lese ich übrigens immer und schalte mein E-Book (Schlaflicht) ab,
wenn ich meine, müde genug zu sein. Das klappte. Meine Stimmung am nächsten Tag war sehr gut. An Schlaf war das natürlich nicht genug.
In den folgenden Nächten dokumentierte ich meine Zeiten zum Einschlafen und die Länge meines Schlafes mit diesen Ergebnissen:
50 Minuten 5h 31 Minuten
45 Minuten 6h
22 Minuten 5h 16 Minuten
46 Minuten, bin wieder aufgestanden, da ich nicht einschlafen konnte 4h 56 Minuten
19 Minuten 6h
14 Minuten 4h 55 Minuten
27 Minuten 7h
22 Minuten, trotzdem fiel das Einschlafen schwer
4h
15 Minuten 7h
Einschlafen fiel schwer, Hören von Podcasts im
Bett 2h
63 Minuten 5h 23 Minuten
28 Minuten 5h 55 Minuten
27 Minuten 5h 57 Minuten
24 Minuten 6h
Danach pendelte sich meine Schlafenszeit auf 5 - 6 Stunden bis heute ein.
Fazit:
Tatsächlich hat sich meine Stimmung verbessert. Da könnten jedoch auch andere Gründe ausschlaggebend sein, wie beispielsweise der Selbstliebe-Kurs, den ich im Juni durchgeführt oder die
intensive Yoga-Woche, an der ich teilgenommen hatte.
Eindeutig verbessert haben sich meine Einschlafprobleme. Die Angst vor dem Einschlafen ist nicht mehr so groß und bis auf wenige Ausnahmen schlafe ich nach ca. 30 Minuten ein. Ich vermeide
noch das Ausschlafen, werde allerdings auch früh wach. Ein erster Schlaf-Rhythmus ist vorhanden.
Wenn ich nun merken würde, dass ich wieder schlechter einschlafe, würde ich diesen Prozess wiederholen, denn schädlicher für meinen körperlichen Organismus als das unruhige Wachsein, kann
eine durchgemachte Nacht auch nicht sein.
Ich bin zufrieden.
Und natürlich greift da auch der kausale Zusammenhang: besserer Schlaf = ausgeruht sein und mehr Zufriedenheit.
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