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Brief an meinen Säugling

Vor einigen Wochen beendete ich den Online-Kurs "Heile das Kind in dir" von Julia Schneider (www.roadheart.com). Der Kurs war für mich unglaublich intensiv und brachte mich meinem kleinen Mädchen um einiges näher. Darauf aufbauend nehme ich jetzt an Gruppen-Sessions teil, in denen die einzelnen Entwicklungsstufen meines kleinen Mädchens bearbeitet werden.

 

Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Säuglingsalter,

  • jenem Alter, in dem sich das Urvertrauen, bzw. Misstrauen der Welt gegenüber bildet
  • jenem Alter, in dem sich Ich-Stärke, die Kraft zu sein entwickelt, die sich nicht bilden kann, wenn die Mutter sie nicht selbst besitzt
  • jenem Alter, in dem eine symbiotische Beziehung zwischen Mutter und Kind besteht, das Kind wie die Mutter fühlt, in vollständiger Abhängigkeit von ihr existiert und ungefiltert alle Einstellungen der Mutter dem eigenen Körper und der Umwelt gegenüber übernimmt
  • jenem Alter, der die Grundlage für alle weiteren Beziehungen im Leben bildet, der den Umgang mit Nähe und Distanz in Beziehungen herausbildet

Meine Mutter war nicht in der Lage, mir meine grundlegenden Bedürfnisse nach verlässlicher Nähe, Zuneigung und Bindung zu geben, geschweige mir einen Spiegel vorzuhalten, der mir Sicherheit gibt in einer liebevollen geborgenen Umgebung.

Ihre Bedürfnisse wurden selbst nie erfüllt.

 

Ich bemerke heute noch Schwierigkeiten bei mir, die sich aus dieser frühen Lebensphase ergeben:

  • meine Neigung zu emotionalem Essen, manchmal auch Alkohol
  • Nägel kauen
  • Ohnmachtsgefühle, Gefühle der inneren Leere
  • Beziehungsschwierigkeiten
  • mein Misstrauen in mich selbst
  • mein kontrollierendes Verhalten anderen gegenüber
  • meine Suche nach Bestätigung
  • meine wiederkehrende Angst, nicht genug, nicht wertvoll zu sein
  • meine Schamgefühle
  • ...

Es ist an der Zeit, meinen kleinen süßen Säugling zu mir zu holen und fest in meine Arme zu schließen. Ihr die liebevolle Zuwendung zu geben, die sie nicht bekommen konnte, sie nachzunähren mit allem, was mir möglich ist.

 

So saß ich erst meditierend mit meinem Teddy als Säugling im Arm, um anschließend folgenden Brief an meinen kleinen Säugling zu schreiben. Mir ist klar, dass sie die verbale Bedeutung der Worte nicht verstehen kann, aber ich denke die Liebe, die ich versuche mit Hilfe dieser Worte zu transportieren.

 

 

Mein kleines Baby,

 

ich heiße dich auf dieser Welt willkommen. Die Zeit ist reif.

Aller widrigen Umstände zum Trotz hast du überlebt, indem du dich stark angepasst hast und so für unsere Sicherheit gesorgt hast.

Dessen bin ich mir bewusst und danke dir von Herzen dafür.

Jetzt ist es an der Zeit, dass deine Bedürfnisse erfüllt werden. Sie sind so was von gerechtfertigt.

Ich möchte dich halten, dich wiegen, dich liebkosen, dich nähren mit allem, was du brauchst.

Ich freue mich darauf, dich liebevoll zu verwöhnen, Zeit mit dir zu verbringen.

Ich bin so froh, dass du ein Mädchen bist und möchte dir den Raum geben, den du brauchst.

Ich trage dich in und an meinem Herzen. In einem Medaillon werde ich dich an meinem Herzen tragen.

Ich wünsche mir, dass du dich bei mir sicher fühlst. Du einzigartiges wertvolles süßes Wesen gehörst zu mir.

Ich gebe dir alle Zeit, die du brauchst, um Vertrauen zu mir zu entwickeln. Ich bleibe bei dir.

Ich fühle Nähe und Wärme zu dir. Das ist die Liebe, die ich dir gegenüber empfinde, die weiter wachsen darf.

Ich bin so froh, dass du hier bist und ich daran teilhaben darf, dich aufwachsen zu sehen.

Du bist die Grundlage jeden Friedens in mir.

Danke, dass es dich gibt.

 

Deine Cathrin

 

Ich darf nun lernen, meinen kleinen Säugling zu fühlen.

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Kommentare: 8
  • #1

    Julia Schneider (Donnerstag, 22 April 2021 13:47)

    Liebe Cathrin,
    es ist so schön zu sehen, wie tief du in diesen Prozess eintauchst. Dein Brief hat mich sehr berührt. Ich spüre die tiefe Liebe und Wertschätzung für dein Säuglings-Ich in deinen Zeilen. Danke für deinen Mut, dich mit diesem sehr verletzlichen Prozess zu zeigen. Du inspirierst damit sicher viele andere, sich auch dieser zarten, verletzlichen Seite ihrer selbst zuzuwenden, sie nach zu nähren und zu heilen. Daraus kann so viel Gutes entstehen.
    Danke für dein Sein und Wirken.
    Alles Liebe dir,
    Julia

  • #2

    Cathrin (Freitag, 23 April 2021 11:30)

    Liebe Julia,
    ich freue mich so sehr über deinen mich nährenden Kommentar. Ganz herzlichen Dank dafür.
    Ich spüre wie schwer es ist, wirklich in den Kontakt zu meinem Säugling zu kommen. Aber dieses wunderbare Baby ist präsent und darüber freue ich mich. Es hilft mir tatsächlich, so oft wie möglich an mein Medaillon zu fassen, um mich an den Kontakt zu erinnern.
    Gerade habe ich meinen Brief auf mein Handy gesprochen.
    Das hat noch einmal eine andere Qualität.
    Den Dank für dein Sein und Wirken gebe ich dir so gerne zurück.
    Alles Liebe
    Cathrin

  • #3

    Monika Bürger (Freitag, 23 April 2021 12:06)

    Hallo kathrin,
    sehr berührend den Brief, ich habe ihn mehrmals gelsen und in mich aufgenommen. Alles kann heilen und heilt Stück für Stück, das ist wirklich phönomenal.
    Ich arbeite z.Zt. nicht mit dem inneren Kind, ich mache nur noch mindflow...... das greift auch sehr weit und tief.

    Danke für den wundervollen Brief und die Anregungen in deinem Blog.

    Moni

  • #4

    Frank (Freitag, 23 April 2021 15:28)

    Hallo Cathrin,

    Auch mich hat dein Brief sehr berührt, deine Worte, dich als Säugling liebevoll umarmend, in mir selbst die Zuneigung zu diesem kleinen Menschlein, das so offen in die Welt tritt, genährt. Gleichzeitig spüre ich diese Verbundenheit zu meinem Säugling, den Wunsch, auch ihm diese Liebe zu geben, die ich genau wie du heute in meinem Herzen spüre, und ihn in tiefer Dankbarkeit für all das, was er für mein Seelenheil auf sich genommen hat, liebevoll in meinen Armen zu wiegen. Danke für diese berührende Inspiration!

  • #5

    Phil (Freitag, 23 April 2021 21:20)

    Liebe Cathrin, ich danke Dir für Deine Offenheit, dass Du etwas teilst, das jeder wohl verspürt, aber eben keine Worte hat, nicht zu adressieren weiß. Ich spüre seit einiger Zeit die Gnadenlosigkeit deutlich, mit der ich diese stummen Anteile unterdrücke, versuche sie auszugrenzen, ja abzuschälen. Da machst Du mir bewusst, wie hilflos und völlig unschuldig diese Anteile doch sind. Das schmerzt, aber ja, es reinigt auch, rückt zurecht, etwas zurück in die Mitte, wo es lebendig ist, nicht leistungsdominiert, erfolgsgetrieben, wirkmächtig, sondern verspielt, glucksend wie ein Baby, das seine Zehen entdeckt. Wie gerne würde ich mich dem gern ganz widmen, ganz mütterlich. Ein Schrei hängt krumm am Herzen, erblindete Scheiben zerbröseln auf dem betonierten Garagenhof.
    Könnten wir doch nur am, im Körper eine Stelle finden, die uns das zärtlich verspielte, geborgen haltende, das fürsorglich bergende besser spürbar macht als etwas außerhalb unserer Selbst, anstelle des Materiellen. Ist das Glück des Kindes nicht gerade dieses lebendig warme, geschmeidige, dieses Gottesgeschenk?
    Ich denke an Dich und Deinen Weg, wünsche Dir ganz viel von diesem Nährenden, gebend wie empfangend, und werde mich selbst im Tanz wiegen. Du machst Lust sich selbst zu wagen, glucksend glücklich und genügsam zu sein.

  • #6

    Cathrin, Antwort für Moni (Montag, 26 April 2021 15:27)

    Liebe Moni,
    danke für deine lieben Worte.
    Es freut mich sehr, dass dir mindflow so gut hilft.
    Ich glaube auch, dass jede für sich schauen muss, was ihr am besten hilft.
    Ich freue mich, dass ich dir Anregungen geben kann.
    Cathrkn

  • #7

    Cathrin, Antwort für Frank (Montag, 26 April 2021 15:32)

    Lieber Frank,
    danke für deine Worte. Ich freue mich sehr, dass mein Brief dich so inspirieren kann, deinen kleinen Säugling wiegend nachzunähren.
    Das ist auch für mich sehr berührend zu lesen.
    Cathrin

  • #8

    Cathrin, Antwort für Phil (Montag, 26 April 2021 15:47)

    Lieber Phil,
    danke für deine poetischen Worte. Ich freue mich sehr, dass dich mein Brief anregen konnte, dir deines hilflosen unschuldigen Babys bewusster zu werden. Wunderschön die Vorstellung, deinen Säugling im Tanz zu wiegen. Und ja, das Glück des Kindes, dein Glück, ist es, das lebendig Warme, Geschmeidige, Göttliche zu fühlen.
    So schön, dass ich dir Lust mache, dich selbst zu wagen.
    Cathrin