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Mein Lebensthema?

Letzten Dienstag hatte ich meine letzte Online-Gruppensession zu den Entwicklungsstufen des Kindes, meines inneren Kindes mit Julia Schneider von Roadheart.com. In diesen Sessions guckten wir uns genau an, welche Bedürfnisse des Kindes erfüllt werden müssen/müssten, um sich psychisch gesund zu entwickeln.

Eine bereichernde Zeit, die mir nochmal einiges innerhalb meiner Entwicklung verdeutlichte.

 

Abschließend ging es um das eigene Lebensthema, ein wirklich interessantes Thema, ein herausforderndes Thema und vor allem sehr persönliches Thema.

 

Nach einer kurzen meditativen Einstimmung stellten wir uns der Frage:

"Was ist mein Lebensthema, das sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht?"

 

Ich begann zu schreiben mit folgendem Satzanfang:

"Seit meiner frühesten Kindheit habe ich die Erfahrung gemacht, dass ..."

ich im Stich gelassen wurde/werde.

Ich wurde/werde, ob unbewusst oder bewusst, allein gelassen.

Hatte ich Probleme, wurden sie nicht gehört. Sie waren nicht wichtig. ICH war nicht wichtig. So wurde ich immer wieder im Stich gelassen und fühlte mich einsam und in mir isoliert.

 

Eins der vielen Beispiele für ein besseres Verständnis:

Ich befand mich als ca. 6jähriges Kind in einem Moment der Freude und warf mein Bein mit Schwung hoch. Der Schuh löste sich vom Fuß, flog in einem hohen Bogen und landete auf der Kühlerhaube des nagelneuen Autos der Freunde meiner Eltern. Alle stürmten zum Auto, zum möglichen Schaden im Autolack. Ich blieb zurück, einsam und verlassen mit meiner Scham.

Es ist genau diese Emotion, die sich noch heute in vielen Momenten zeigt.

 

Im Laufe meiner Entwicklung steuerte ich in Beziehungen dagegen, schließlich sollte mir das nicht wieder passieren. So entwickelte ich ein Muster in Beziehungen.

Ich zeigte mich von meiner liebenswürdigsten Seite, um Sicherheit für mich aufzubauen, jemanden für mich zu haben. In Beziehungen mit Männern biederte ich mich nahezu an. Ich verbog mich und ich glaube in den Anfängen der Beziehungen, tatsächlich von den Männern unbemerkt. Das Problem, das sich dann auftat, überblickte ich nicht.

Sicherheit  ist eine Thematik/ein Gefühl, das ich nicht kenne, mein Gehirn, mein gesamter Organismus nicht kennt. Mein System kennt, im Stich gelassen zu werden. Also setzte/setze ich in meinen Beziehungen, oft unbewusst, sehr hohe Erwartungen. Erwartungen, die kaum zu erfüllen sind, die ich zudem selten in der Lage bin zu äußern. In der Folge erfüllte/erfüllt sich das Gefühl des im Stich gelassen werdens immer wieder.

Ein sich wiederholender, sehr starker Schmerz, der in vielfältigen Situationen noch heute auftritt.

 

Ein Beispiel: Mein Mann traf sich mit Freunden. Meine Erwartung war, dass er am Nachmittag zu Hause sein würde. Er kam erst abends. Schon mit Ansage, trotzdem reichte das meinem System, dass mein schmerzhaftes Gefühl mich komplett einnahm. Und ich ließ mich einnehmen, weinte, rannte verzweifelt durch das Haus, konnte im ersten Moment nichts mit mir anfangen.

 

Wenn mich dieses Gefühl zu Hause trifft, weiß ich, was ich tun kann.  Anders ist es, wenn ich mit  Bekannten/Freunden unterwegs bin. Da verstelle ich mich immer noch leicht, und werde hilflos.

 

Zu Hause begebe ich mich in den Schmerz, durchlebe ihn, so lange bis er sich beruhigt, schenke mir und meinem kleinen Mädchen den Trost, die Aufmerksamkeit, die wir nicht bekamen/bekommen und schließe mich in den Arm. Irgendwann fange ich fast immer an zu schreiben.

 

Ich heile, wenn ich mich selbst nicht mehr im Stich lasse.

Ich heile, wenn ich für mich da bin, gut für mich sorge, mich annehme wie ich bin, mich in Selbstakzeptanz meines Körpers, meines Seins übe und schließlich Selbstliebe übe.

 

Das scheint mein Lebensthema zu sein, mir und dir zu zeigen, sich selbst nicht im Stich zu lassen. Bin ich dafür hier? Um dir und mir die unterschiedlichsten Wege aufzuzeigen, dass wir uns in uns nicht alleine fühlen? Darüber werde ich nachdenken.

Ein weites Feld.

 

Ich denke auch, dass die Vervollständigung dieses Satzes jeden Tag in Nuancen unterschiedlich ausfallen würde und sich in einem Jahr möglicherweise das Thema selbst verändert haben könnte.

Schöner ist die eigene persönliche Entwicklung kaum lesbar.

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Kommentare: 2
  • #1

    Elke (Sonntag, 20 Juni 2021 13:59)

    Ich bewundere deinen Mut, so offen über diese Themen, die auch mich beschäftigen, zu schreiben. Ich tue mich noch schwer mich in mein Inneres zu begeben und zu schreiben, was ich entdecke.
    Kannst du dich wirklich an die Geschichte mit dem Schuh und dem Auto erinnern? Oder wurde sie dir erzählt? Ich kann mich kaum an konkrete Ereignisse in meiner Kindheit erinnern.
    Ich weiß, dass meine Eltern (Jahrgang 33 und 38) alles daran getan haben, damit es meinem Bruder und mir gut ging. Mein Vater musste mehr als nur einen Job machen, um unsere Wohnung finanzieren und uns Kindern eine bessere Schulbildung bieten zu können. Meine Mutter ging wieder arbeiten als ich mit 13 aufs Gymnasium ging. Ich kann mich an die meisten Ereignisse wohl nur durch Fotos (Dias!) erinnern...
    Wichtige Tätigkeiten, die ich heute mache, um mir einen Ausgleich zu schaffen und mich zu erholen, habe ich von meiner Oma oder Mutter gelernt: das Stricken/Häkeln und Backen!

    Weiter komme ich in meinen Gedanken nicht...

    Mach weiter so!

  • #2

    Cathrin (Sonntag, 20 Juni 2021 15:33)

    Ja, liebe Elke, danke für deinen Kommentar ❤️ und auch für deine Offenheit. Ich kann mich tatsächlich an viele Ereignisse aus meiner Kindheit erinnern, wobei ich mir bewusst bin, dass sich die Erinnerungen verändern, verfälschen, ähnlich wie bei der „Stillen Post“. Entscheidend ist für mich die Emotion, die schmerzhaft wiederkehrt. Die ist echt, weil ich sie so schmerzhaft erlebe. Die Situation ist - glaube ich - gar nicht so ausschlaggebend. Es sind die Emotionen, die im Körper festsitzen, die ich versuche, zu transformieren �