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Als ich mich von meinem Ego trennen wollte

In der letzten Woche war das Leben für mich beschwerlich., unabhängig oder vielleicht doch irgendwo abhängig vom Corona-Virus.

Eine ziemlich schwere Decke hatte sich über mich gelegt und es fiel mir schwer sie umzuschlagen.

 

Während meiner Morgenseiten fing ich an, mich an mein Ego zu wenden, und wünschte mir die Trennung von ihm.

 

Kleiner Exkurs: Was ich unter Ego verstehe?

Das Ego verkörpert allen Mangel und Trennung von mir, bzw. die Illusion davon. In ihm stecken die erlernten negativen Glaubensmuster und -sätze, die sich schon vorgeburtlich, besonders in den ersten zwei Lebensjahren und auch in der späteren Kindheit durch den Einfluss des äußeren Umfelds (stark geprägt durch die Eltern) gebildet haben. In ihm laufen alle traumatischen Erfahrungen, Schuld und Scham, Ängste und Zweifel zusammen, wohnen in mir und versuchen mein Leben zu bestimmen. Ich könnte das Ego auch als einen Troll bezeichnen, der sein Unwesen in mir treibt, dramatische Zustände liebt, alles anzweifelt, vergleicht und bewertet, misstrauisch ist, überall Gefahr wittert, den anderen die Schuld zuweist, sich schämt, aus dem Mangeldenken heraus nie genug leisten kann, sich selbst gefangen nimmt und für seine Sicherheit alles kontrollieren muss. Es ist das Mangelwesen, was in mir lebt, mich bestimmt und das, obwohl es nicht real ist.

 

Mein Mangelwesen hatte mich also wieder mal voll im Griff, bzw. ich ließ mich von ihm beherrschen.

Ich schrieb:

 

Liebes Ego,

du unglaublich starke Kraft in mir. Ich weiß, du willst keine Veränderung. Ja, du hasst sie sogar. Schließlich hast du mich ja bis jetzt einigermaßen gut durchs Leben gebracht.

Aber weißt du was? Du machst mich mit deinem Tun unglücklich. Du raubst mir jegliches Vertrauen ins Leben und meine Lebendigkeit. Du spielst dich hier mit deiner Macht dermaßen auf, so als könne ich nichts tun, so als wäre ich dir komplett ausgeliefert.

Du bist stark, aber nicht unüberwindbar. Bilde dir das bitte nicht ein!

Als Kind wolltest du mich beschützen. Du konntest ja nicht ahnen, dass sich traumatische Strukturen in meinem Nervensystem festsetzen würden. Heute verstehe ich sogar, dass du Gutes mit mir im Sinn hattest. Du hast mir in meiner Kindheit geholfen, mich so in meinem Sein zu reduzieren, dass ich noch einen Rest Liebe für mich entdecken konnte. Du hast mir Strategien wie lautloses und mundtotes Verhalten gezeigt, sodass ich emotionale Verletzungen überleben konnte. Es war halt deine Art mich zu beschützen. Dafür danke ich dir.

Heute allerdings beschränkst du mich in meinem Tun, und tust so als müssest du mich immer noch schützen: Angst, Mangel, Zweifel, Schuld, Scham, Druck, Kontrolle... = Schmerz versus Vertrauen, Gelassenheit, Dankbarkeit, Leichtigkeit, Lebendigkeit, Liebe, Selbstliebe... = Fülle

Deshalb muss ich diesen für mich wichtigen Schritt gehen. Ich werde mich von dir trennen.

Klar, jetzt denkst du: Wie soll das gehen? Haha, so fest wie ich in dir verankert bin? Kannst du gerne versuchen!

Das ist mir sonnenklar. Trotzdem spreche ich dir jetzt die Kündigung aus. Hier hast du es schriftlich. Ich gebe dir drei Monate Zeit, dir ein neues Zuhause zu suchen. Da gelten auch keine Corona-Ausnahmeregelungen!

Cathrin

 

Einen Tag später schrieb ich:

 

Liebes Ego,

da war ich wohl doch etwas übermütig. Fragen tauchten auf. Was passiert, wenn du auf der Straße stehst? Wer würde dich denn schon nehmen wollen? Gibt es Notunterkünfte für Egos? Würdest du dich schlimmstenfalls in einem anderen Menschen einnisten, was du ja sowieso sehr gut kannst! Damit wäre auch niemandem geholfen. Die Kündigung war wohl doch eine Schnapsidee! Ich kann dich definitiv nicht noch mehr auf andere Menschen loslassen. Das ist zu gefährlich! Ich verspüre auch ein wenig Mitgefühl für dich, wolltest du mich schließlich beschützen. Ich versuche es anders. Ich mache dir ein Angebot. Du darfst in mir wohnen bleiben unter folgenden Bedingungen:

  • Ich bestimme die Regeln in unserem Zuhause, d,h, konkret: Ich mache den Mund auf und du hältst die Klappe!
  • Wenn du mir in Form von jeglicher Angst kommst, umarme ich dich, um dich zu transformieren. Ich weiß, dass dir das nicht gefällt, viel zu viel Nähe!
  • Wenn du mir in Form von Leere kommst, werde ich sie füllen mit all den Ressourcen, die ich schon in mir entdeckt habe und weiterhin neu entdecken werde.
  • Wenn du mir in Form von negativen Überzeugungen kommst - und darin bist du tatsächlich eine Meisterin -, werde ich dich auch in meine Arme schließen und dir beständig zuflüstern, welch ein wertvoller und liebenswerter Mensch ich bin.

Sprich: Wir wechseln die Rollen! Ich übernehme das Ruder und du ordnest dich unter. Ich treffe die Entscheidungen in unserem Haus, und zwar in allen Belangen, egal was du durchsetzen möchtest. Hört sich hart an, muss aber sein!

Dafür gewinnst du meine Zuneigung und darfst bleiben.

Na, wenn das kein Angebot ist!

Cathrin

 

Und wenn sich das Chaos im Inneren löst, kann sich auch im Außen das Chaos lösen.

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