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Achtsam sein als Lehrerin in der Schule

Das Schulleben hat mich wieder...

 

Neue lebendige und süße Erstklässler, die neue Arbeit im Team mit meiner netten Kollegin, die unzähligen Aufgaben, um eine neue Klasse schön und ansprechend vorzubereiten, der zusätzliche Unterrichtsalltag in den anderen Klassen, der natürlich auch für alle zufriedenstellend sein soll, sowie Verwaltung und Organisation einer Klasse, stellen wohl nicht nur für mich, sondern für jede Kollegin eine große Herausforderung dar.

 

Da stellt sich immer wieder die Frage: Wie kann ich diesen vielfältigen Anforderungen überhaupt gerecht werden? Ist das überhaupt alles zu schaffen, ohne sich dabei selbst zu verlieren? Worin kann meine Kraftquelle bestehen?

 

KLEINER EXKURS: Die, die mich gut kennen, wissen, dass diese komplexen und vielfältigen Aufgabenstellungen für mich sehr herausfordernd sind. Häufiger auf meinem Lebensweg versetzte mich mein innerer Druck so stark in Stresssituationen, dass ich keinen Ausweg mehr fand, und in depressive Episoden verfiel.

So fand ich, bzw. fand mich, die Achtsamkeit schon vor einigen Jahren. 

 

Meine Kraftquelle ist also letztlich die Achtsamkeit. Was das nun konkret bedeutet - für mich im schulischen Unterricht - möchte ich euch beschreiben.

 

Man könnte meinen "Achtsamkeit" ist eine Modeerscheinung, die wie andere Lebensmotto-Themen gerade vielfältig publiziert wird, als Welle, die mal eben hochschwappt und dann auch wieder verebbt, frei nach dem Motto "Und damit soll ich mich jetzt auch noch beschäftigen, bzw. meine Zeit verschwenden?!" Nein, dem ist gar nicht so!!!

 

Eine Haltung der Achtsamkeit ist uralt. Sie stammt aus den fernöstlichen buddhistischen Lehren und ist von Jon Kabat-Zinn (amerikanischer emeritierter Molekularbiologe) vor mehr als 20 Jahren in die westliche Welt gebracht worden. Er hat das weltweit bekannte 8-Wochen-Programm MBSR ("Mindfulness-Based-Stress-Reduction") entwickelt.

 

Achtsamkeit wird von Jon Kabat-Zinn folgendermaßen definiert:

"Im Grunde genommen ist Achtsamkeit ein ziemlich einfaches Konzept. Seine Kraft liegt in der praktischen Umsetzung und Anwendung. Achtsamkeit beinhaltet auf eine bestimmte Art und Weise aufmerksam zu sein: bewusst im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu beurteilen" (Kabat-Zinn 2007, Im Alltag Ruhe finden, S. 18).

 

Wow, im gegenwärtigen Augenblick - bei dem Multitasking in der Schule -, ohne zu bewerten - das ist doch einer unserer Hauptjobs!! Okay, die abgestimmte Leistung und nicht das Kind ;-)

 

Also: Das Konzept ist einfach. Kraft kriege ich durch die praktische Umsetzung, d.h. indem ich Achtsamkeit übe. Ich bleibe bewusst im Augenblick und bewerte nicht.

 

Doch, das hört sich gut an. Wenn ich mich in meiner Vorstellung dort hinein versetze, spüre ich sofort mehr Ruhe. Ich bin in dem einen Augenblick und nicht in vielen, die mich nur verwirren. Und vor allem, ich beurteile, bzw. verurteile nicht, was mich nur bei dem Gedanken daran, schon glücklicher macht.

 

Wie kann das nun im Schulalltag gehen?

 

Dazu hat Vera Kaltwasser (Gymnasiallehrerin, Autorin...) ein Buch geschrieben: Persönlichkeit und Präsenz, Achtsamkeit im Lehrerberuf, erschienen im Beltz-Verlag 2010

 

Sie beschreibt darin eine Anleitung zur Achtsamkeit, die wohl auf vielen Achtsamkeitsseminaren gelehrt wird, mit der Abkürzung "RAIN" (s.o. S. 57-73)

 

für "Recognition" - genau hinzusehen und sich nicht abzuwenden, auch wenn ich vielleicht total genervt bin oder ich mich verletzt fühle 

 

A für "Accept" - anzunehmen, was jetzt gerade ist

 

I für "Investigate" - zu untersuchen und zu erforschen, was da gerade körperlich, gefühlsmäßig und gedanklich bei mir passiert

 

für "Non-Identification" - dass ich mich nicht identifiziere mit dem Geschehen oder den Gedanken, sondern mich distanziere

 

Das heißt, ich reflektiere mich häufig selbst, ich gucke genau, was da bei mir drückt, laufe nicht einfach davor weg. Ich akzeptiere den jeweiligen Ist-Zustand, verurteile mich dafür nicht (und andere auch nicht) und erforsche diesen genau, um zu bemerken, dass das mich Erdrückende, bzw. die Stressoren, erlernte Muster sind, die ich umwandeln kann, weil sie ja nicht `Ich` sind, sondern nur Erlerntes, das mich stresst.

 

Wow - kann es so einfach gehen, wie es klingt?

 

Nein, ganz so einfach dann doch nicht - ich kann euch beruhigen - für mich ist das eine Lebensaufgabe, an die ich mal mit mehr, mal mit weniger Geduld herangehe.

Dass sie ihre Wirkung zeigen wird und mich zu einem zufriedeneren, gelasseneren und selbstbewussteren Menschen machen wird, davon bin ich allerdings überzeugt.

 

Verhalte ich mich denn jetzt schon achtsam im Unterricht, und wenn ja, woran merke ich das?

 

Ja, ab und zu verhalte ich mich schon achtsam im Unterricht, fühle mich aber eher noch wie eine Achtsamkeits-Beginnerin.

Manchmal kann ich präsent sein von Augenblick zu Augenblick. Und ja, das spüren die Kinder, wenn ich mich nicht von meinen eigenen Unsicherheiten leiten lasse oder mit meinen Gedanken in die Zukunft abdrifte, um Organisatorisches für eine nächste Unterrichtsstunde zu planen. Sie spüren, wenn ich bei mir bin. Dann fließt es. Es entsteht ein Beziehungsgeflecht zwischen den Kindern und mir, das beide Seiten in dem Moment richtig glücklich machen kann. 

Oft beobachte ich meine innere Befindlichkeit und spüre, dass ich da näher hingucken möchte, z.B., wenn ich mich von einem Kind ärgern lasse. Auch das ist achtsam. Mir wird bewusst, dass ich mich nicht bei mir fühle und versuche, mich zu mir zurückzuholen.

 

Wenn ich die Kraftquelle der Achtsamkeit für meinen Unterricht nutzen möchte, gehört dazu auch, dass ich gut für mich sorge, und zwar nicht nur im Unterricht.

 

Ich sorge z.B. gut für mich, indem ich mir Ruhephasen gönne, das Achtsamsein übe und schließlich mein gesamtes Leben achtsam gestalte.

 

Und das ist letztendlich ein und mein Lebenskonzept mit einer positiven Haltung zu sich, bzw. zu mir selbst, das tatsächlich jeden Tag Übung braucht, dann kann ich Kraft daraus ziehen und für meinen Unterricht nutzen.

 

Ich bin es mir wert, mich gut um mich zu kümmern, und zwar auf allen Ebenen!

 

Dazu gehört auch, Dinge zu tun, die mich erfüllen. Deshalb schreibe ich diesen Artikel!

Und ich fühle eine erfüllende Zufriedenheit:-)

 

Da passt zum Abschluss der Yoga-Gruß´: Namasté!

 

 

 

Vorausschau für einen meiner nächsten Artikel: 

 

Vera Kaltwasser hat auch das "Achtsame-acht-Wochen"-Programm für Lehrerinnen entwickelt.

Einiges davon werde ich - in einer etwas veränderten Version - ausprobieren und an dieser Stelle davon berichten.

Starten möchte ich am 24.09.2018.

 

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Kommentare: 6
  • #1

    Gabi (Freitag, 21 September 2018 11:06)

    Toll cathrin, ich nehme es mir auch oft vor, achtsamer zu sein, verliere es aber wieder im Alltag! Deshalb bin ich bestimmt auch wieder krank nach 2,5 Wochen Schule :(

  • #2

    Cathrin (Samstag, 22 September 2018 18:46)

    Danke Gabi, blöd, dass du schon krank bist. Achtsam zu sein, fällt mir ja auch schwer. Ich freue mich jetzt auf das 8-Wochen-Programm, weil ich da ganz bewusst achtsam sein werde. Alles Liebe für dich �

  • #3

    Nadine (Samstag, 22 September 2018 18:51)

    Liebe Cathrin, du bist eine ganz tolle Frau UND Lehrerin! ☺️�

  • #4

    Cathrin (Sonntag, 23 September 2018 11:14)

    Herzlichen Dank Nadine �

  • #5

    Andrea (Sonntag, 23 September 2018 13:34)

    Achtsam sein ...... Du hast völlig recht. Das sollten wir alle sein, uns und anderen gegenüber. Es ist aber schwer, gerade im Alltag, und wir müssen darauf 'achten' und uns gegenseitig immer wieder darauf aufmerksam machen!

    Cathrin, du bist auf einem guten Weg :)

  • #6

    Cathrin (Sonntag, 23 September 2018 19:07)

    Ja, da hast du auch völlig recht. Wir können uns gegenseitig helfen, wenn wir uns immer wieder daruf aufmerksam machen.
    Danke!